Johnny Guitar - Wenn Frauen hassen (1954)

Written by Kalla Malla on October 28, 2014

In einer abgelegenen Gegend mitten in Arizona führt Vienna (Joan Crawford) einen Spielsaloon. Mit den Ranchern ringsum gibt es ständig Ärger, denn diese sind vehement gegen Viennas Pläne, in den Eisenbahnbau zu investieren und damit einen florierenden Handel nach Arizona zu holen. Wortführerin der Rancher ist die reiche Emma, die Vienna jedoch noch aus einem ganz anderen Grund abgrundtief hasst. Beide Frauen hatten sich vor Jahren in den ehemaligen Revolverhelden Johnny Guitar verliebt, doch der hatte damals nur Augen für Vienna. Jetzt allerdings hat Johnny das einsame Leben eines Desperados satt und lässt sich unerwartet bei Vienna blicken, um in ihrem Saloon ein paar Dollar mit seiner Gitarre zu verdienen. In Emma lodert der alte Hass von neuem auf. Sie verleumdet Johnny als gesuchten Mörder und erreicht beim Sheriff, dass sowohl er als auch Vienna binnen 24 Stunden die Gegend verlassen sollen. Doch Vienna denkt nicht im Traum daran, ihr Hab und Gut so einfach aufzugeben. Als ihr Saloon in Brand gesteckt wird, tritt sie zum Kampf gegen Emma an...

»Johnny Guitar« ist so weit vom Macho-Western à la John Ford/John Wayne entfernt, dass er für Zuschauer, die mit dem Genre normalerweise nichts anfangen können, eine echte Neuentdeckung wert ist. Regisseur Nicholas Ray (»Denn sie wissen nicht, was sie tun«) malt hier mit großem Pinselstrich ein Meldoram der unterdrückten Sehnsüchte und Leidenschaften in eine bizarre, düstere und verlassene, komplett irreale Western-Landschaft, in der die Männer schwach und unfähig, die Frauen stark, kämpferisch und leidenschaftlich sind.

Zwischen den Hauptdarstellerinnen Joan Crawford und Mercedes MacCambridge herrscht eine unglaublich intensive erotische Spannung, und der Dialog wimmelt nur so von Zweideutigkeiten über sexuelle Identitäten, sowohl zwischen den Männern als auch zwischen den Frauen. Das macht »Johnny Guitar« zu einem faszinierenden Filmwerk aus Zeiten, als das Nicht-Aussprechen zu künstlerischen Ausdrucksmöglickeiten führte, die so viel raffinierter und erregender waren als heutige Offenheit.

Kleine Schönheitsfehler offenbart sowohl die Kameraarbeit als auch der stellenweise leicht deplazierte Schnitt. Technisch befindet sich der Film auf oberem Durchschnittsniveau doch trotz diverser Mängel sind diese Defizite leicht zu verschmerzen angesichts des großartigen Drehbuchs. Da der Fokus sowieso auf dialogreichen Szenen in geschlossenen Räumen liegt, fehlen monumentale Aufnahmen a la John Ford auch nicht um den erwünschten Effekt zu erzielen. Übrigens wurde der Film mit der Trucolor-Technik gedreht, was ihm den typischen Look der B-Western der 40er und 50er Jahre gibt, »Johnny Guitar« ist die letzte größere Produktion die mit diesem Format arbeitete bevor die Erfindung von Eastmancolor die Standards verändern sollte.

Ein paar Produktionsnotizen: Die Karriere von Joan Crawford, die in den späten Stummfilmtagen zu Ruhm gekommen war, war nach dem finanziellen und künstlerischen Misserfolg von »Torch Song«, einem Revuefilm, den sie 1953 bei MGM gedrehte hatte, in Gefahr. Die Schauspielerin hatte für diese Rolle sogar den Part der Karen Holmes in der Fred Zinnemann-Adaption von »Verdammt in alle Ewigkeit« abgelehnt, der schließlich an Deborah Kerr ging. Crawford war zunächst entschlossen, mit dem Regisseur Nicholas Ray einen Spionagefilm unter dem Titel »Lisbon« zu drehen, doch die Pläne zerschlugen sich, und am Ende akzeptierten die beiden ein Angebot, für das Studio Republic einen Western zu drehen.

Für Joan Crawford waren die Dreharbeiten keine angenehme Erfahrung. Zum einen bildeten Western in den 1950er Jahren ein Sammelbecken für Schauspielerinnen, die den Zenit ihres Ruhms bereits überschritten hatten. Marlene Dietrich hatte bereits 1953 unter der Regie von Fritz Lang in Rancho Notorious ihren Auftritt gehabt, Claudette Colbert, Barbara Stanwyck und sogar Greer Garson suchten zunehmend Zuflucht in dem Genre, als andere Rollen selten wurden. Hinzu kam, dass das Studio Republic in der Branche als C-Studio, als Poverty Row galt.

Das Verhältnis zu Mercedes McCambridge war angespannt, da die ursprüngliche Idee, die Rolle an Crawfords gute Freundin Barbara Stanwyck zu vergeben, am kleinen Produktionsbudget gescheitert war. Auch der Versuch, Claire Trevor zu engagieren, scheiterte. Mit Sterling Hayden gab es ebenfalls Probleme, da Hayden seine Rolle lethargisch und ohne großen Elan anging. Nach Beendigung der Dreharbeiten äußerten sich etliche Co-Stars negativ über das Verhalten von Joan Crawford, was besonders das Klatschblatt Confidential zu einer ganzen Serie mit dem Titel »Joan Crawford – Queen or Tyrant?« ausschlachtete.

Dennis Hopper ist hier in seiner allerersten Rolle überhaupt zu sehen, auch wenn man ihn nur schwer erkennt und er auch keine nennenswerte Szene hat. Es sollten noch über zehn Jahre vergehen bis Hopper seinen Durchbruch hatte und seine Beteiligung an »Johnny Guitar« dürfte keinerlei Relevanz haben für seine folgende Karriere, ist daher höchstens filmhistorisch interessant.

Fazit: Zusammen mit »12 Uhr Mittags« und »Der schwarze Falke« gehört »Johnny Guitar« zu den interessantesten Western der 50er Jahre und ist bis heute ein echter Ausnahmefilm. Ein kleiner Klassiker und Pflichtprogramm für alle Genre-Fans, denn »Johnny Guitar« ist absolut einzigartig.