Rear Window (1954)

Written by Kalla Malla on October 26, 2014

Man nehme einen an den Rollstuhl gefesselten Mann, einen räumlich auf ein Zimmer und einen Hinterhof begrenzten Schauplatz und einen Regisseur am Aufbruch zu seiner kreativsten Schaffensphase und das Resultat ist »Das Fenster zum Hof«, nicht nur einer von Alfred Hitchcock's bekanntesten Thriller- bzw. Krimi-Klassikern, sondern zudem ein richtungsweisender Vertreter des Genres. Dabei spielt es absolut keine Rolle, dass der im Jahr 1954 veröffentlichte Film mittlerweile auf sein 60. Jubiläum zusteuert, denn von seinen zeitlosen Qualitäten hat der meisterhaft inszenierte Klassiker bis heute nichts eingebüsst. Kein Wunder, leben wir schliesslich in einer Welt, wo der Voyeurismus dank Internet & Co. auf seine Spitze getrieben worden ist, in »Rear Window« (Originaltitel) aber in seiner sozusagen reinsten Form gezeigt wird: Das bespitzeln der eigenen Nachbarn.

Genau diese Neugier wird dem Pressefotografen L.B. Jeffries, trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit in gewohnt bravouröser (und z.T. sehr differenzierter) Form von Hollywood-Ikone James Stewart verkörpert, zum nahezu tödlichen Verhängnis.

Dass dabei die Grenze aus reinem Voyeurismus und akribischer Detektivarbeit zum Teil vollkommen verschwimmen, ist Hitchcock's meisterhaftem Spiel mit den Erwartungen des Publikums, aber auch dem ureigenen Instinkt seine Mitmenschen zu beobachten und aufgrund von Äusserlichkeiten zu beurteilen, zu verdanken. Vor allem aber führt Hitchcock nicht nur seine Hauptfigur, sondern auch sein Publikum immer wieder auf die falsche Fährte und bis zuletzt ist nicht vollkommen klar, ob sich der selbsternannte Hobbydetektiv den Mord an der bettlägerigen Nachbarsfrau nur eingebildet hat, oder es sich tatsächlich um einen kaltblütigen Mord des Ehemanns handelt. Aber Hitchcock wäre schliesslich nicht Hitchcock, wenn er die Möglichkeiten der eigentlich simplen, aber dafür umso effektiveren Geschichte nicht bis ins noch so kleinste Detail ausloten würde.

Bis es zur Auflösung kommt, die aufgrund ihres Abruptheit bzw. des zeitlich etwas gehetzt wirkenden Ablaufs zu den (ganz) wenigen Schwächen des ansonsten nahezu perfekten Films gehört, wird man aber vor allem Zeuge eines grandios durchdachten Aufbaus bei dem sich der Meister auch die nötige Zeit zur Charakterisierung seiner Figuren nimmt. Dass er dabei nicht nur auf die Fähigkeiten von James Stewart, sondern gleich auch noch auf die Schönheit und das Schauspieltalent von Grace Kelly, die im gleichen Jahr in Hitchcock's ebenfalls kammerspielartigem Bei Anruf Mord brillierte, zurückgreifen konnte, spricht zusätzlich für den spannungsgeladenen Film. »Rear Window« (Originaltitel), seinerzeit im bis dato grössten Studio gedreht, wird seinem Ruf als Klassiker und Hitchcock-Meisterwerk jedenfalls immer wieder von neuem gerecht!

Was Hitchcocks Filme heute noch so aufregend macht, ist die Fülle von Themen, die unter der spannenden Oberfläche verhandelt werden, von Obsessionen über Voyeurismus bis zur Analyse verschiedener Ehemodelle (in Form der Nachbarn) und dem Rollenbild von Mann und Frau: Grace Kelly wird aktiv und geht dem Geheimnis von gegenüber auf den Grund, während Stewart mit Gipsbein an den Rollstuhl gefesselt ist und hilflos zusehen muss, wie sie in Lebensgefahr gerät, aus der sie sich wiederum selbst befreien muss - die totale Umkehr der klassischen Thriller-Situation.

Grace Kelly war nie so schön wie hier und spielt die vielleicht beste Rolle ihrer Karriere. Erst wenn der Film ihr die letzte Einstellung schenkt, bemerkt man, dass sie im Grunde die größte emotionale Wandlung von allen Charakteren im Film durchlebt und viel mehr als bezauberndes Beiwerk ist. Ebenso wie Stewart in seiner Paraderolle (niemand spielt so gut den sympathischen Mann von nebenan) trägt Grace Kelly den Film. In einer Nebenrolle begeistert wie so oft die schlagfertige Thelma Ritter mit schwarzhumorigen Dialogen.

Fazit. »Das Fenster zum Hof« (»Rear Window«) gehört zu Alfred Hitchcocks besten Filmen (für viele ist er der Beste überhaupt) und ist ein verdienter Klassiker der Filmgeschichte.