Blutige Hochzeit (1973)

Written by Kalla Malla on December 22, 2013

Mit diesem Film griff Claude Chabrol einen Kriminalfall auf, der in Frankreich als Geschichte der »Teufel von Bourganeuf« großes Aufsehen erregte: Lucienne (Stéphane Audran) ist die Ehefrau des Kleinstadtbürgermeisters Paul (Claude Piépu), der sie einst trotz eines unehelichen Kindes von einem anderen Mann geheiratet hat. Zwischen Paul und Lucienne scheint es keine intimen Beziehungen mehr zu geben. Paul ist ausschließlich an seiner Karriere und an den materiellen Vorteilen, die ihm sein Amt bringen, interessiert. Lucienne geht mit dem verheirateten Pierre Maury (Michel Piccoli) eine sexuelle Beziehung ein. Pierre ist ähnlich wie sie sexuell ausgehungert, denn seine Ehefrau ist hochgradig depressiv und hat sich dem Leben schon lange abgewandt. Pierre entscheidet sich seine Frau zu ermorden, damit er und seine Geliebte ein ungestörtes Liebesnest haben können. Als Paul dahinterkommt, dass seine Frau fremd geht, willigt er in diesen Zustand ein und redet mit Lucienne und Pierre offen darüber...

Wie so oft attackiert Chabrol in seinem Psychodrama/Thriller die bürgerliche Klasse, in diesem Fall speziell die Kleinstadtpolitik, die er komplett der Lächerlichkeit preisgibt. Nicht zufällig erinnert »Blutige Hochzeit« streckenweise stark an Luis Bunuels kurz vorher entstandenen Klassiker »Der diskrete Charme der Bourgeoisie«, in dem Chabrols Ehefrau Audran eine der Hauptrollen spielte.

So ist »Blutige Hochzeit« deutlich absurder als Chabrols vorangegangene Filme, die Kritik an Unmoral und Machenschaften der herrschenden Klasse wird zur Farce. Wenn Stéphane Audran in offizieller Funktion ein Fußballspiel eröffnet, vergeudet sie keinen Blick auf das Spiel, und wenn ihr Ehemann Claude Piéplu während einer Kinder-Theateraufführung zu einer Rede ansetzt, beendet Chabrol einfach abrupt die Szene und zeigt damit seine komplette Verachtung für das inhaltsleere Geschwätz der Politik.

Zweites Vorbild des Films neben Bunuel ist James M. Cains klassische Noir-Geschichte »Wenn der Postmann zweimal klingelt«, aus dem die komplette Durchführung des Mordplans übernommen ist. In einer wunderbaren kleinen Sequenz sehen wir einen Brief, der durch mehrere Hände in der Poststation wandert, sortiert und schließlich ausgeliefert wird, während wir aus dem Off den brisanten Inhalt hören.

Stéphane Audran und Michel Piccoli spielen ihr ehebrecherisches Pärchen bewusst überzogen (sie fallen praktisch jedesmal übereinander her, wenn sie sich begegnen) und pflegen ihren Sex gern an gefährlichen Orten (im Wald und einem historischen Schloss), auch dies ein Querverweis auf Bunuel. Als Thriller funktioniert der Film eher nicht, dafür aber als moralisches Drama und schwarze Komödie. Als solche ist »Blutige Hochzeit« auch sehr sehenswert, selbst wenn er unter Chabrol-Fans einen geringeren Stellenwert einnimmt.