Der unsichtbare Dritte (1959)

Written by Kalla Malla on April 16, 2013

Der New Yorker Werbefachmann Roger Thornhill (Cary Grant) wird für den US-Spion George Kaplan gehalten und im Auftrag des feindlichen Agenten Phillip Vandamm entführt. Als der ahnungslose Roger sich weigert, etwas zu gestehen, wird er mit Alkohol voll gepumpt, um auf einer abschüssigen Straße im Auto zu »verunglücken«. Vorher wird Thornhill allerdings von der Polizei gestoppt. Die nimmt ihm seine abenteuerliche Story nicht ab: Alle Spuren wurden verwischt, und selbst seine eigene Mutter hält Roger für einen Spinner, während die Killer ihn weiter verfolgen. Roger hofft, dass der Diplomat Lester Townsend Licht in die mysteriöse Affäre bringen kann, doch dieser wird vor seinen Augen ermordet. Der Verdacht fällt auf Roger, der jetzt zu allem Überfluss auch noch als Mörder gejagt wird. Auf der Flucht begegnet er der ebenso verführerischen wie geheimnisvollen Eve Kendall. Scheinbar selbstlos hilft sie ihm, seine Verfolger abzuschütteln, doch dann führt das von ihr vermittelte Treffen mit dem Spion George Kaplan in einen Hinterhalt: Mitten in der Prärie wird Roger plötzlich von einem Flugzeug angegriffen. Nur knapp kann er dem Anschlag entkommen und wird endlich von der CIA über seine Rolle als Lockvogel aufgeklärt. Roger ist entsetzt. Doch dann bringt eine weitere Enthüllung ihn dazu, seine unfreiwillige Rolle als Spion weiterzuspielen...

Hitchcock hat mit dieser wendungsreichen Thriller-Komödie seinen liebsten Handlungsstrang - den unschuldigen Jedermann, der unversehens in ein lebensgefährliches Abenteuer verwickelt, von allen Seiten inklusive Polizei gejagt wird und auf seinem Weg einer kühlen, aber erotisch aufgeladenen Blondine begegnet, die möglicherweise ein doppeltes Spiel treibt - in einer Weise perfektioniert, die nicht mehr zu übertreffen ist. »Der unsichtbare Dritte« hat in nunmehr 50 Jahren nichts von seinem Glanz und Witz verloren, er diente dazu als Blaupause für sämtliche James Bond-Abenteuer und ist der Vorläufer des Hollywood-Action-Thrillers inklusive sämtlicher Archetypen.

Nichts ist hier – wie eigentlich nie bei Hitchcock – dem Zufall überlassen. Das Phantastische an der Szenerie besteht aber auch darin, dass diese nicht, wie oft üblich bei Sequenzen, in denen ein (versuchter) Mord unmittelbar bevorsteht, in einer dunklen Seitengasse mit einer mysteriösen Gestalt hinter einer Häuserecke oder ähnlichem spielt, sondern im lichten Freien, in der Sonne; es spielt keine Musik, ist fast absolut still. Die Gegend scheint harmlos und friedlich, und doch weiß jeder Zuschauer, dass es nicht so ist. Grandios.

Das Drehbuch von Ernest Lehman schlägt so viele unvorhersehbare Haken, dass sogar Cary Grant (angeblich) nicht verstanden haben soll, worum es im Film eigentlich geht. Hitchcock nutzt grandiose Locations für seine Agenten- und Doppelagenten-Hatz quer durch Amerika und endet im berühmten Finale auf den Präsidenten-Köpfen des Mount Rushmore. Unvergesslich bleibt die Sequenz, in der Cary Grant am hellichten Tag von einem Insektenvertilgungs-Flugzeug durch menschenleere Maisfelder gejagt wird.

Die Dialoge sprühen vor Witz und doppeltem Boden. Wenn Grant während einer Kunstauktion verzweifelt versucht, einen Aufruhr zu verursachen, um Mason und dessen Handlangern zu entkommen (Grant: »Das ist doch eine ganz billige Fälschung!« - Darauf eine Besucherin: »Eins steht jedenfalls fest, Sie sind ein echter Idiot!«), muss er die auftauchenden Polizisten erst überzeugen, dass er ein gesuchter Mörder ist (Grant: »Mit mir haben Sie den Fang Ihres Lebens gemacht« - Polizist: »Sie sollten sich wirklich schämen, so anzugeben!«).

Zwischen Grant und der typisierten Hitchcock-Blondine Eva Marie Saint knistert es gewaltig, als rechte Hand von James Mason begeistert der junge Martin Landau. Und wenn am Ende ein Zug in einen Tunnel rauscht, dann hat Hitchcock sogar noch einen schwarzhumorigen Schlusspunkt gesetzt. Im Gespräch mit Hitchcock bezeichnete Francois Truffaut »Der unsichtbare Dritte« als die Summe aller amerikanischen Filme des Meisters, und damit traf er den Nagel auf den Kopf.

Fazit: Was gibt es also an diesem Filmjuwel auszusetzen? Nichts. Was Mainstream-Unterhaltung auf höchstem Niveau angeht, gehört »Der unsichtbare Dritte« zur absoluten Spitzenklasse. Selbstverständlich kann man hier ohne Bedenken von einem Meisterwerk des Films sprechen, dessen ausgewogene Erzählweise bis heute selten erreicht wurde und das jeder Filmfan gesehen haben sollte, obwohl man die Klasse nach Erstansicht nicht so richtig einzuschätzen vermag.