In einer kleinen Stadt (1993)

Written by Kalla Malla on November 12, 2012

Nach dem Roman von Stephen King inszenierte Fraser C. Heston (Sohn von Charlton) mit »In einer kleinen Stadt« (»Needful Things«) einen sorgfältigen und gut besetzten Horrorfilm, der allerdings nicht sonderlich im Gedächtnis bleibt, weil er aus Angst, das Mainstream-Publikum zu überfordern, vor echter Abgründigkeit zurückschreckt und immer auf der sicheren Seite bleibt.

Max von Sydow spielt hier (grandios) einen charmanten Antiquitätenhändler, der ins beschauliche Castle Rock - Schauplatz vieler King-Geschichten - zieht und dort einen Laden eröffnet: »Needful Things«. In diesem Geschäft findet jeder Einwohner etwas, das er unbedingt braucht, schon lange sucht oder längst verloren glaubte. Die Gegenstände besitzen ein magisches Eigenleben und kosten so gut wie nichts. Lediglich ein paar kindische Streiche sollen sich die Bewohner gegenseitig spielen, zum privaten Amüsement des Ladenbesitzers. Diese Streiche nehmen aber stetig an Aggressivität zu und geraten bald vollkommen außer Kontrolle. Lange schwelende Konflikte brechen auf, und schon sind Mord und Totschlag an der Tagesordnung...

»In einer kleinen Stadt« beginnt mit atmosphärischen Landchaftsaufnahmen und einem bombastischen Score von Kenneth Branaghs Stamm-Komponisten Patrick Doyle. Beides macht Lust auf mehr, und tatsächlich kann der Film in den ersten beiden Dritteln außerordentlich gut unterhalten. Er hält die schwierige Balance zwischen Mystery, Melodram und schwarzer Komödie, und das hervorragende Ensemble sorgt dafür, dass viele Charaktere dem Zuschauer wirklich näher gebracht werden (das gilt allerdings nicht für Amanda Plummer, die ihre Figur bis zur Karikatur überspielt). Vor allem Max von Sydow kann als diabolischer Drahtzieher begeistern, der sich das angerichtete Unheil mit Freude ansieht und genüsslich ein »Ave Maria« hört, während sich die Einwohner die Köpfe einschlagen. Der Teufel übt sich wieder mal in der Kunst der Verführung, und die Menschen sind nur allzu schnell bereit, für nutzlose Dinge, die ihnen aus sentimentalen Gründen viel bedeuten, ihr zivilisiertes Verhalten aufzugeben. Man fragt sich, ob von Sydow auch hinter Ebay steckt...

Neben Max von Sydow glänzen Ed Harris als Sheriff und Bonnie Bedelia als dessen von Krankheit geplagte Ehefrau, an der von Sydow auch ein erotisches Interesse hat. Bedelia ist den meisten wahrscheinlich als Bruce Willis' Ehefrau in den ersten beiden »Die Hard«-Filmen bekannt, und sie wirkte in der frühen King-Verfilmung »Brennen muss Salem« (1979) mit, die ebenfalls in einer kleinen Stadt spielte, in welcher ein Antiquitätenhändler ein teuflisches Geheimnis hütete. Sie gehört zu den Schauspielerinnen, die immer gut sind, aber nie den Sprung zum Star geschafft haben, und sie zeigt hier eine fantastische Leistung als sympathischste Figur im Ort. Die Szene, in der Max von Sydow Bedelia mittels eines Schmuckstücks von ihren chronischen Schmerzen befreit, gehört zum Anrührendsten, was man von einer King-Verfilmung zu sehen bekommt.

Leider manövriert sich der Film aber mit zunehmender Laufzeit (und er ist mir 2 Stunden deutlich zu lang) in eine Ecke, aus der er kaum herauskommt. Nachdem praktisch die Hölle in Castle Rock ausgebrochen ist und die Bewohner nun vollends übereinander herfallen, weiß Fraser C. Heston nicht so recht, wie er die Geschichte zu Ende bringen soll. Es folgen lahme melodramatische Apelle an das Gute im Menschen und eine ziemlich überflüssige Explosion (weil in Hollywood »Blow Up Things Real Good« schon immer funktioniert hat, wenn man nicht mehr weiter weiß), bevor Max von Sydow den Ort des Schreckens wieder verlässt - genau so, wie er gekommen ist. Nicht ohne noch eine finstere Prophezeiung von sich zu geben, versteht sich. Da es sich bei »In einer kleinen Stadt« im Grunde um eine Parabel handelt, in der die Moral wichtiger als die Handlung ist, versteht man das Problem, daraus eine Geschichte mit befriedigendem Abschluss zu konstruieren. Trotzdem bleibt am Ende das schale Gefühl, dass hier mehr möglich und ein schwärzeres Finale (etwa mit dem Sieg des Bösen) vielleicht sinnvoller gewesen wäre.

Obwohl das Ende nicht überzeugen kann, gehört »In einer kleinen Stadt« dank der Schauspieler und der glaubwürdigen Atmosphäre zu den besseren King-Adaptionen. Im Kino war der Film nicht sonderlich erfolgreich, weil Anfang der 90er das Publikum einfach übersättigt war und das Marketing sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht entscheiden konnte, welches Zielpublikum man anvisieren soll. Für den gemeinen Horror-Freak ist der Film zu gepflegt (und letztlich zu harmlos), für Freunde bitterböser Satiren ist er nicht böse genug, und für Liebhaber anspruchsvoller Kleinstadtgeschichten fließt dann doch zu viel Blut. Ein klarer Fall von »zwischen den Stühlen«, und das war noch nie ein gutes Rezept für Erfolgsfilme.