Die Tribute von Panem - The Hunger Games (2012)

Written by Kalla Malla on September 14, 2012

Wo einst Nordamerika war, existiert nur noch Panem, vom prächtigen Kapitol beherrscht, das der hinterhältige Präsident Snow (Donald Sutherland) regiert. Zur Demonstration ihrer Unterwerfung müssen sämtliche zwölf Distrikte für die alljährlichen »Hungerspiele« jeweils einen Jungen und ein Mädchen im Alter von 12 bis 18 Jahren entsenden, die sich einem brutalen Kampf auf Leben und Tod stellen, an dessen Ende nur noch einer übrig bleibt. Das Los von Distrikt 12 fällt auf die 12-jährige Primrose Everdeen (Willow Shields), doch um sie zu verschonen, meldet sich ihre 16-jährige Schwester Katniss (Jennifer Lawrence) freiwillig als Tribut. Als männlicher Gladiator wird der Bäckerssohn Peeta Mellark (Josh Hutcherson) ausgelost, der sie von Kindesbeinen an kennt und nun seine Liebe eingesteht - auch wenn beide in Kürze als Gegner aufeinandertreffen werden. Katniss' bester Freund ist Gale Hawthorne (Liam Hemsworth), mit dem sie eng verbunden ist, seit sie gemeinsam gewildert haben, um die Beute auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Er hofft, sie nach den Hungerspielen wiederzusehen - doch von den 24 Teilnehmern wird nur einer überleben. Bevor es in die Arena geht, werden die Tribute der Öffentlichkeit präsentiert und in der Kunst des Überlebens ausgebildet...

»The Hunger Games« oder: »Battle Royale« für Teenager. Keine Frage: Die megaerfolgreiche Bestseller-Jugendroman-Reihe von Autorin Suzanne Collins ist stark vom japanischen Kultfilm inspiriert worden und enthält auch sonst Anleihen aus Filmen wie »Running Man« oder »The Truman Show«. Nur als (Reality-TV-) Satire kann man den diesjährigen (und vollkommen überhypten) Kinoerfolg aber nur bedingt bezeichnen, denn im Vordergrund stehen hier dann doch die romantischen und actionlastigen Elemente - was »Die Tribute von Panem«, wie der Film in deutschsprachigen Gefilden heisst, wiederum den Ruf eines neuen »Twilight« eingebracht hat. Storymässig gibt's vielleicht nur wenige Ähnlichkeiten, aber der Vergleich ist durchaus gerechtfertigt - nicht zuletzt, weil man mit »The Hunger Games« einen Film auf die Leinwand gebracht hat, der mit hundertprozentiger Genauigkeit auf sein noch junges Zielpublikum massgeschneidert worden ist.

So perfide die (nur oberflächlich erklärten und im Grunde sinnfreien) Spiele auch sein mögen, so wenig gibt es in Gary Ross' filmischer Umsetzung davon, beziehungsweise von der wirklich brutalen und harten Action, schlussendlich dann tatsächlich zu sehen.

Mit schnellen Schnitten und einer brechreizauslösenden Wackelkamera-Optik wird der Film auf einem jugendfreien Niveau gehalten, während die dünne Story in die Länge gezogen wird. Eine Backstory zu den (im Ansatz sozialkritischen und eigentlich nicht uninteressanten) Ereignissen oder einigen der Figuren ist nicht vorhanden, und mit Ausnahme der etwas vielschichtiger dargestellten Hauptfigur Katniss Everdeen verkommt jede der Figuren zum üblichen Klischee. Am auffälligsten wird dieses inhaltliche Manko bei den Tributen selbst, denn es lässt einen schlussendlich ziemlich kalt wer davon, und vor allem auch unter welchen Umständen, ins Gras beisst. Kommt hinzu, dass gewisse Charakter-Motivationen schlicht und einfach keinen Sinn ergeben. Eine Rolle spielt das schlussendlich wohl nicht unbedingt, denn von einem Film bzw. einer Story, die eine strikt aufgeteilte Zwei-Klassen-Gesellschaft lediglich durch extravagante Mode darstellt, ist wohl kaum etwas anderes zu erwarten gewesen.

Das tut dem Hype um den ansonsten handwerklich solide in Szene gesetzten Film, zumindest innerhalb der Zielgruppe, selbstverständlich keinen Abbruch - ganz im Gegenteil. Und man muss zugeben: »The Hunger Games« hat seine Momente, die funktionieren. Dazu gehört vielleicht nicht unbedingt der mit goldenem Lidstrich (neuerdings auch als Schauspieler) agierende Lenny Kravitz, aber dafür macht Jennifer Lawrence eine umso bessere Figur und kann ihrer Rolle sogar eine gewisse Komplexität abgewinnen - was von ihrem schauspielerischen Talent, und weniger für's Drehbuch zeugt. Nach einem langatmigen Mittelteil kommt dann auch durchaus ein bisschen Spannung auf - was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der Film mit seiner Laufzeit von mehr als 140 Minuten um mindestens 20 Minuten zu lang geraten ist. Vom rekordverdächtigen US-Einspielergebnis von mehr als US$ 400 Millionen sollte man sich aber nicht blenden lassen: Bei diesem Film wurde viel Potential verschenkt!

Die schauspielerischen Leistungen sind durchwegs passabel. Mit ihrer oscarnominierten Darstellung im Thriller »Winter’s Bone« hat Jennifer Lawrence bereits gezeigt, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat. Auch für die Rolle der Katniss ist sie ideale Besetzung, was zu erwarten war, denn immerhin weisen diese beiden Frauenfiguren nicht nur vergleichbare Lebensumstände, sondern auch ähnliche Charakterzüge auf. Egal ob in actiongeladenen oder dramatischen Szenen – Lawrence trifft stets den richtigen Ton. Auch Josh Hutcherson (»The Kids Are All Right«) agiert glaubhaft als gutmütiger und aufopfernder Peeta. Daneben wartet die Fantasy-Action mit einer ganzen Reihe von guten Nebendarstellern auf – wie Woody Harrelson, Elizabeth Banks, Lenny Kravitz, Donald Sutherland oder Stanley Tucci – wobei es vor allem Charmebolzen Tucci gelingt, als exzentrischer Moderator für Highlights zu sorgen. Über die Leistung von Liam Hemsworth als Katniss Freund Gale wiederum kann nicht viel gesagt werden. Seine Rolle ist etwas zu kurz geraten.

Fazit: »The Hunger Games« zeigt eine durchgestylte futuristische Welt, in die man trotz aller (vor allem implizierter) Grausamkeit gerne eintaucht. Wer die Buchvorlage kennt, könnte sich zwar am leicht veränderten Schluss stören, der wohl zu gleichen Teilen der begrenzten Filmlänge und dem dringend benötigten PG-13-Rating zuzuschreiben ist. Überhaupt wirkt das letzte Filmviertel leider relativ gehetzt, was ein wenig an der bedrohlichen Atmosphäre und Spannung kratzt. Trotzdem ist Gary Ross eine unsentimentale und erstaunlich eigenständige Interpretation des Romans gelungen, die wohl nicht nur Fans auf die Fortsetzungen gespannt macht.