Solo: A Star Wars Story (2018)

Verfasst von Joerg Melzer am 2. Mai 2019

Könnte man ein Unternehmen wie "Solo" doch bloß unbeeinflusst von vier Dekaden Filmgeschichte betrachten. Ein solch routinierter Regisseur wie Ron Howard böte dann immerhin einen schnörkellosen Ausritt in die Weiten des Weltraums, den man mit der gleichen Unbefangenheit genießen würde wie diesen Moment in der Achterbahn, kurz bevor es abwärts geht. Eine vorgegebene Marschrichtung nur, kein unerwartetes Ausscheren auf Nebenschauplätze, keine mühsame Integration in einen übergeordneten Kontext, um zum Flicken in einem Epos zu werden: Es würde genügen, einfach immer zu dem vorzudringen, was sich geradeaus am Horizont bildet. Und zwar in Millennium-Falcon-Geschwindigkeit.

Dahingehend enttäuscht der zweite Star-Wars-Exkurs der Disney-Ära keineswegs. Dem Studio ist trotz Regisseurswechsel und wochenlanger Nachdrehs ein temporeiches Space-Abenteuer gelungen, das sich - der Persönlichkeit seiner Hauptfigur entsprechend - von der militärischen Ausrichtung der Hauptreihe verstohlen abnabelt, um da draußen in der Wüste unter Ganoven und Halunken ungehinderte Freiheit zu tanken. Ein solches Manöver als "fintenreiche Kriegsverweigerung" zu bezeichnen, wäre angesichts der Schlitzohrigkeit des allreisenden Söldners in der Hauptrolle wohl nicht unangemessen. Da ist es nur sinnvoll, als Kriegsersatz den Western als Inspiration aus dem Ärmel zu zaubern, mit all seinen Versprechen von der Erkundung unerschlossenen Raums. Also gibt es Poker, Zugüberfälle, Damsel in Distress und Outlaws, die in Gruppen reiten... das alles nur eben in dieser betörenden Star-Wars-Ausstattung, die den 70er-Disco-Stil ihres Geburtsjahrs in Sachen Kostüm und Kulissendesign ebenso problemlos mit dem 19. Jahrhundert wie mit dem fiktiven Zeitstrahl seiner Zukunftshandlung zu vereinen weiß. Man könnte Howards Herangehensweise als einfallslos bezeichnen, weil sie so überraschungsfrei ihren Weg geht, gerade wenn man sich vorstellt, was für eine überdrehte Komödie die Lego-Brüder daraus gemacht hätten; sie hat aber auch etwas würdevoll Klassisches an sich, eben wie zu besten Blockbuster-Zeiten irgendwo zwischen "Der Weiße Hai" und, ja, "Krieg der Sterne".

Das eigentliche Problem ist da schon grundlegender, denn ist Han Solo wirklich ein Charakter, dem man auf den Grund gehen muss? Wertet es seine Zeichnung auf, wenn man Zeuge wird, wie er sich als junger Pilot aus der Klammer des Imperialismus zu befreien versucht oder wie er Chewbacca kennenlernt? Eigentlich war Solo immer der Mann, der mit seinem pelzigen Freund ungeklärter Herkunft aus dem Nichts kam und nach erledigter Arbeit wieder darin verschwand. Anders als "Rogue One" bereichert seine Vorgeschichte die Haupterzählung also in kaum einer Weise, was man bestenfalls als Nullsummenspiel bezeichnen kann, im schlimmsten Fall aber sogar als Verlust, denn auch in den nicht gespielten Takten wird Musik gemacht. Füllt man sie grundlos auf, noch dazu mit recht uneigenständigen Origin-Parametern (wie oft schon wurden dicke Freundschaften mit einem Grubenkampf auf Leben und Tod besiegelt?), so geht damit eben auch ursprüngliche Information verloren.

Alden Ehrenreich hat zunächst einmal nicht viel mit Harrison Ford zu tun, obwohl er in einsamen Augenblicken dessen schelmisches Grinsen immerhin anzudeuten weiß. Vielleicht ist das auch gut so, denn Star-Wars-Parodien sollten dann doch eher Spoof-Komödien wie "Spaceballs" vorbehalten sein. Was der bis dato eher unbekannte Hauptdarsteller allerdings zwingend von Ford hätte erben müssen, ist das herbe Leindwandcharisma, das es ihm erlaubt, jede Szene an sich zu reißen. Dies geschieht leider nicht; im Gegenteil, Donald Glover als Lando ist in manchen Augenblicken mehr Solo als Solo selbst. Und wenn man dann noch die ganze Zeit eine Charaktervisage wie Woody Harrelson an seiner Seite ertragen muss, wird es schon richtig schwierig, sich durchzusetzen. Wenigstens Emilia Clarke stiehlt ihm nicht die Show (wenn überhaupt, durch ihr Styling, aber kaum durch ihre Ausstrahlung).

Am Ende ist das aber vermutlich alles halb so wild. Wer sich erst einmal wieder die Original-Trilogie zu Gemüte führt, wird beim ersten Auftritt Harrison Fords wohl ohnehin kaum einen Gedanken an Disneys "Solo" verschwenden. Als Abenteuer klassischer Prägung mit modernen Schauwerten erfüllt er aber durchaus seinen Zweck.