Plötzlich im letzten Sommer (1959)

Verfasst von Kalla Malla am 31. Oktober 2014

Eine Warnung für alle, die hinter dem Titel und der Besetzung sowie dem Namen Tennessee Williams ein Südstaaten-Drama der romantischeren Art erwarten. »Plötzlich im letzten Sommer«, nach einem selten gespielten Einakter (kein Dreiakter, wie ein anderer Rezensent anmerkte) des Autors, ist eine groteske Psycho-Farce, ein Horrorfilm, der gegen Ende ernsthaft zu verstören weiß, so betulich er auch beginnt.

Die Geschichte einer herrschsüchtigen Mutter (Hepburn), die ihre Nichte (Taylor) einer Gehirnoperation unterziehen möchte, damit diese nicht mehr herumerzählt, was ihr geliebter Sohn alles getrieben hat, bevor er bestialisch ermordet wurde, ist starker Tobak, selbst für Williams' Verhältnisse. Die Filmversion umspielt zwar recht geschickt die Homosexualität des Sohnes aus der Vorlage, dessen Verlangen hier letztlich zu seinem Tod geführt hat, und dies auf so subtile Art, dass man das Thema dennoch klar erkennen kann - anders als in der »Katze auf dem heißen Blechdach«, wo dieser Subtext schlicht unkenntlich gemacht wurde und zu Verwirrung bezüglich der Motivationen führt.

Regisseur Mankiewicz ist ein Meister im Umgang mit Schauspielern, und sowohl Elizabeth Taylor als auch Katharine Hepburn befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Kunst. Der Hepburn und ihrer exaltierten, melodischen Bühnensprache im Originalton zu lauschen, ist ein Genuss für sich. Der arme Montgomery Clift, stark gezeichnet von seinem Unfall, bleibt etwas blass, aber seine Rolle gibt auch nicht so viel her - die Frauen sind bei Williams grundsätzlich interessanter. Clift und Taylor sind seit »Ein Platz an der Sonne« ohnehin immer eine sehenswerte Paarung, egal in welchen Rollen. Ihre Beziehung in »Plötzlich im letzten Sommer« bleibt die von Arzt und Patientin - überhaupt gibt es keine erhliche Liebe in der gesamten Geschichte. Sie wird ersetzt durch die schlimmsten menschlichen Eigenschaften, Habgier, Besitzanspruch, Ausbeutung und Missbrauch. Jeder manipuliert den anderen, einige geschickter als andere. Die Opfer bleiben auf der Strecke, manchmal trifft es aber auch die Täter - hart.

Das ausufernde Finale, in dem Elizabeth Taylor sich zurückerinnert (genau, an den letzten Sommer) und wir die letzten Momente des Verstorbenen sehen können, ist eine schauspielerische und inszenatorische Meisterleistung, packend, beängstigend, schockierend, intensiv. Für die damalige Zeit eine echte Grenzüberschreitung und heute noch wirkungsvoll. Während die Damen folglich für den Oscar nominiert wurden, bietet Montgomery Clift als Arzt nur eine enttäuschend zurückhaltende, ja geduckte Darstellung. Mausgrau, ruhig, zurückhaltend, defensiv, wäre er nie im Bild, würde man ihn nicht vermissen. Clift war zu dieser Zeit schon ziemlich am Ende, ein Drogen- und Schmerzmittelwrack und seine Performance unterstreicht das.

Fazit: »Plötzlich im letzten Sommer« ist ein Meisterwerk der Groteske, eine Geschichte, so roh und wahnsinnig, dass man auch heute noch erstaunt ist, wie der Film damals überhaupt entstehen konnte. Tennessee Williams’ verbale Heraufbeschwörung von Wahnsinn, Inzest, Homosexualität und Kannibalismus lässt sich halt nur schwer adäquat für die Leinwand adaptieren – und deshalb überzeugt Mankiewiczs Werk vor allem als Schauspielerfilm.