Nur die Sonne war Zeuge (1960)

Verfasst von Kalla Malla am 26. Oktober 2014

Bevor Anthony Minghella seine Version vom »talentierten Mr. Ripley« inszenierte, hat René Clement die Vorlage von Patricia Highsmith bereits 1960 brillant verfilmt.

Die Story: Der amerikanische Millionärssohn Philippe Greenleaf (Maurice Ronet) genießt sein Leben lieber mit seiner Freundin Marge Duval (Marie Laforêt) in Italien, als sich zu Hause um die Geschäfte zu kümmern. Sein Vater beauftragt daraufhin Tom Ripley (Alain Delon), seinen Spross aus Italien zu- rückzuholen. 5.000 Dollar hat er ihm dafür versprochen – aber als Ripley Philippe gefunden hat, denkt er gar nicht an den Heimflug. Er möchte auch einmal das »Dolce Vita« genießen. Und er hat mehr im Sinn...

Der spannende Thriller machte Alain Delon über Nacht zum Star. Seine Darstellung des Ripley hat genau die Ambivalenz, die die Rolle verlangt. Man sieht fasziniert zu, wie Ripley sich ans Werk macht, als Zuschauer ist man gleichzeitig fasziniert von Delons Ausstrahlung und Talent und gleichzeitig abgestoßen von seiner Kaltblütigkeit und den Abgründen, die hinter seiner perfekten Fassade lauern. Die Erfinderin des Tom Ripley, Patricia Highsmith war selbst begeistert von Delon, das ist wahrscheinlich das beste Kompliment für den Schauspieler.

René Clement fängt das italienische Feeling der 60er durch viele Außendrehs an Originalschauplätzen perfekt ein, die sonnendurchfluteten Bilder korrespondieren ideal mit der düsteren Handlung. Einziger diskutabler Schwachpunkt ist das Ende, welches das offene Romanende von Highsmith zugunsten einer moralischen und konservativen Auflösung verändert. Interessant ist übrigens, dass Alain Delon, wenn er die Stimme von Maurice Ronet imitiert, von diesem auch synchronisiert wurde. Dies wurde auch in der deutschen Fasung beibehalten und ist ein wirklich gelungener Einfall. Und für alle, die es nicht wissen: gleich zu Beginn des Films hat Romy Schneider einen kleinen Gastauftritt!

1961 erschien die bereits 1955 in den USA veröffentlichte Romanvorlage »The Talented Mr. Ripley« erstmals in deutscher Sprache unter dem gleichen Titel wie der Film, »Nur die Sonne war Zeuge«, später, in Neuauflagen, als »Der talentierte Mr. Ripley«. Anders als im Roman, in dem der amoralische Held Tom Ripley ungestraft entkommt, wird Ripley im Film des Mordes an Philippe (im Buch: Dickie) Greenleaf überführt. Auch verzichtete der Film auf die offen homoerotischen Anspielungen des Buchs. Highsmith äußerte sich zwar positiv über die Besetzung der Hauptrolle mit Alain Delon, verlieh jedoch gleichzeitig ihrem Missfallen über den geänderten, moralisierenden Schluss Ausdruck.

Fazit: »Nur die Sonne war Zeuge« ist ein Klassiker des Thrillers, der seinen guten Ruf auch heute noch zu Recht besitzt und genau so überzeugt wie seinerzeit.